Gray – man kennt dieses Buch. Man kennt auch Oscar Wilde. Vom hören und sagen mindestens. Was den meisten nicht bewusst ist: Er hat ein weiteres unglaubliches kleines aber prächtiges Werk verfasst. Um genauer zu werden ein Essay. Um konkret zu sein: „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“. Und ja, das hat wirklich dieser Autor verfasst! 😉 .. Ende des 19. Jhd´s.
Darin finden sich herausgehobene Stellen.
Wie,
„Das eigentliche Ziel ist der Versuch und Aufbau der Gesellschaft auf einer Grundlage, die die Armut unmöglich macht.“
Das schafft der Kapitalismus nicht. Also ist er recht unbrauchbar. Zumindest für das Gemeinwohl. „Wohlstand“ ? Wohlstandsökonomie? Zumindest eine „Wohlfühlökonomie“ ist mit dieser Grundlage anscheinend nicht vereinbar.
„Der Sozialismus ist lediglich darum von Wert, weil er zum Individualismus führt.“
Was ist für Wilde Sozialismus?
Privateigentum wurde überführt und verallgemeinert. „Der Besitz von Privateigentum ist sehr oft äusserst entsittlichend, und das ist natürlich eine der Ursachen, warum der Sozialismus die Einrichtung abschaffen will. Das Privateigentum ist wirklich in der Tat eine Last.
„Das Eigentum hat nicht nur Pflichten, sondern so viele Pflichten, dass es eine Last ist, viel davon zu besitzen.“
Privateigentum wird in eine öffentlich rechtliche Institution verwandelt und die Genossenschaft setzt sich an die Stelle der Konkurrenz. Somit würde der eigentliche Charakter der Gesellschaft entstehen – ein gesunder Organismus, in dem jedem Glied der Gemeinschaft das materielle Wohlergehen gesichert wird. „Jedes Mitglied der Gesellschaft wird an der allgemeinen Wohlfahrt und dem Gedeihen der Gesellschaft teilhaben,…“ Wilde weiter: „Es gibt in der Tat dem Leben seine rechte Grundlage und seine rechte Umgebung.“
Was meint Wilde mit Individualismus?
„Für die volle Entfaltung des Lebens zum höchsten Grad seiner Vollendung tut noch etwas mehr not. Was not tut, ist der „Individualismus“.
„Aber die besten unter den Armen sind niemals dankbar.“
Diese Armen sind “ undankbar, unzufrieden, unbotmäßig und aufsässig“ – „sie haben ganz recht so zu sein. Sie fühlen, dass die Wohltätigkeit eine lächerlich ungenügende Art der Rückerstattung ist…“
„Nur in freiwilligen Vereinigungen ist der Mensch schön.“
Wie schön!
„Die Anerkennung des Privateigentums hat in der Tat den Individualismus geschädigt und verdunkelt, indem es den Menschen verwechselte mit dem, was er besitzt. Es hat den Individualismus völlig in die Irre geführt. Es hat ihm Gewinn, nicht Wachstum zum Ziel gemacht. So dass der Mensch dachte, die Hauptsache sei zu haben, und nicht wusste, dass es die Hauptsache ist, zu sein.“
„Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem, was er hat, sondern in dem, was er ist.“
„Nach der Abschaffung des Privateigentums werden wir also den wahren, schönen, gesunden Individualismus haben. Niemand wird sein Leben damit vergeuden, dass er Sachen und Sachwerte anhäuft. Man wird leben. Leben – es gibt nichts Selteneres in der Welt (!!!). Die meisten Leute existieren, weiter nichts.“ (!)
„Die meisten Persönlichkeiten waren genötigt, Empörer zu sein. Ihre halbe Kraft hat die Reibung mit der Außenwelt verbraucht.“ (siehe Adorno – Das Seinde vs Das Nicht-Seiende)
„Die Nuance der vollkommenen Persönlichkeit ist nicht Empörung, sondern Friede.“
„Sie wird etwas Wunderbares sein – die eigentliche Persönlichkeit des Menschen – wenn sie sich uns zeigen wird. Sie wird in natürlicher und einfacher Art wachsen, wie eine Blume, oder wie ein Baum wächst. Sie wird nicht im Streit liegen. Sie wird nie argumentieren oder disputieren. Sie wird nichts in der Welt beweisen. Sie wird alles wissen. Und doch keinen Wissenschaftsbetrieb kennen. Sie wird weise sein. Ihr Wert wird nicht mit materiellen Dingen messbar sein. Sie wird nichts haben. und wird doch alles haben, und soviel man ihr auch nimmt, soie hat noch immer, so reich ist sie. Sie wird sich nicht immer um andere kümmern oder von ihnen verlangen, sie sollten ebenso sein wie sie selbst. Sie wird sie lieben, wei sie anders sind. Und doch, während sie sich um andre nicht kümmert, wird sie allen helfen, wie etwas Schönes uns hilft, indem es ist, wie es ist. Die Persönlichkeit des Menschen wird sehr wundervoll sein. Sie wird so wundervoll sein, wie die Persönlichkeit eines Kindes.“ (Oscar Wilde)
„Wenn Jesus von den Armen spricht, meint er einfach Persönlichkeiten, gerade wie er, wenn er von den Reichen spricht, einfach Leute meint, die ihre Persönlichkeit nicht ausgebildet haben.
„Es gibt nur eine Klasse in der Gemeinschaft, die mehr ans Geld denkt, als die Reichen, und das sind die Armen.
„Jesus also sagt, dass der Mensch seine Vollendung erreicht: nicht durch das, was er hat, nicht einmal durch das, was er tut, sondern ganz und gar durch das, was er ist.“
„Die Welt hasst die Individualität. Aber das soll nicht kümmern. Was die Leute von einem Menschen sagen, ändert den Menschen nicht. Er ist, was er ist. Die öffentliche Meinung hat keinerlei Wert…Und schließlich kann ein Mensch selbst im Gefängnis völlig frei sein.“
Alle Arten, regieren zu wollen, sind verkehrt.
„Zum Individualismus also werden wir durch den Sozialismus kommen. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Staat das Regieren ganz und gar sein lassen muss. Grosse Hoffnungen setzte man einst auf die Demokratie; aber Demokratie bedeutet lediglich, dass das Volk durch das Volk für das Volk niedergeknüppelt wird. Jede autoritäre Gewalt ist ganz entwürdigend. Sie entwürdigt die, die sie ausüber, und ebenso die, über die sie ausgeübt wird. Die Autorität die die Menschen dazu bringt, sich zu nivellieren und anzupassen, erzeugt unter uns eine sehr rohe Art satter Barbarei.“
„Der Staat hat das Nützliche zu tun. Das Individuum hat das Schöne zu tun.“
„Der Mensch ist zu etwas Besserem da, als Schmutz zu entfernen. Alle Arbeit dieser Art müsste von einer Maschine besorgt werden. Und ich zweifle nicht, dass es so kommen wird.“
Jetzt verdrängt die Maschine den Menschen. Unter richtigen Zuständen wird sie ihm dienen.
Ein Kunstwerk ist einziges Ergebnis eines einzigen Temperamentes. Seine Schönheit entspringt der Tatsache, dass der Künstler ist, was er ist. Es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass andere brauchen, was sie brauchen.
Die Kunst ist die intensivste Art Individualismus, die die Welt kennt.
Die Kunst aber dürfte nie populär sein wollen. Das Publikum müsste versuchen, künstlerisch zu werden.
In England sind die Künste am besten daran, an denen das Publikum kein interesse nimmt.
„Die Lyrik ist ein Beispiels für das, was ich meine. Wir haben in England eine Lyrik voller Schönheit haben können, weil das Publikum sie nicht liest und daher auch nicht beeinflusst. Im Fall des Dramas, im Fall des Shakespeares ist es ganz offenbar, dass das Publikum in Wirklichkeit weder die Schönheiten noch die Schwächen seiner Stücke sieht.“
Tatsächlich benutzt das Publikum die Klassiker eines Landes als Mittel, den Fortschritt der Kunst zu hindern.
„Sie degradieren die Klassiker zu Autoritäten. Sie benutzen sie als Knüppel, um den freien Ausdruck der Schönheit in neuen Formen zu hindern.“
„Alle Ausdrücke, die man auf ein Kunstwerk anwendet, vorausgesetzt, dass man sie vernünftig anwendet, beziehen sich entweder auf seinen Stil, oder auf seinen Gegenstand oder auf beides zugleich. Gegenstand bedingt das Temperament des Künstlers. Wenn der Stil die Schönheit des Materials erkennen lässt, ist das Kunstwerk gesund.“
In der Tat ist der populäre Roman, den das Publikum gesund nennt, immer ein durchaus ungesundes Produkt; und was das Publikum einen ungesunden Roman nennt, ist immer ein schönes und gesundes Kunstwerk.
Der Künstler ist nie dekadent. Er drückt alles aus.
„Er steht jenseits seines Gegenstandes und bringt durch ihn unvergleichliche und künstlerische Wirkungen hervor. Einen Künstler dekadent zu nennen, weil er die Dekadenz als Gegenstand behandelt, ist ebenso albern, als wenn einer Shakespeare verrückt nennen wollte, weil er den >König Lear< geschrieben hat.“
Der Journalismus und seine Tyrannei kommt daher, dass das Publikum eine unersättliche Neugier hat, alles zu wissen, es sei denn das Wissenswerte.
😀
In England hat der Journalismus absolute Freiheit, und der Künstler wird völlig beschränkt.
Das Kunstwerk muss den Betrachter überwältigen: der Betrachter darf nicht das Kunstwerk überwältigen.
!
Ein wahrer Künstler nimmt keinerlei Notiz vom Publikum. Das Publikum existiert nicht für ihn.
Die Regierungsform, die für den Künstler am geeignetsten ist, ist: überhaupt keine Regierung.
Ein praktischer Plan ist entweder ein Plan, der bereits besteht, oder ein Plan, der unter den bestehenden Verhältnissen durchgeführt werden könnte.
!!!
Der Individualismus kommt in der Tat mit gar keinen Forderungen und Ansprüchen zum Menschen. Er kommt natürlich und unvermeidlich aus dem Menschen heraus.
!!!!!
Entwicklung ist das Gesetz des Lebens, und es gibt keine Entwicklung, die nicht zum Individualismus führt.
Selbstsucht heisst nicht: so leben, wie man zu leben wünscht; sie heisst: von andern verlangen, so zu leben, wie man zu leben wünscht.
Jedes Mitgefühl ist schön, aber Mitleid ist die niedrigste Form.
Christus machte keinen Versuch, die Gesellschaft neu aufzubauen, und daher konnte der Individualismus, den er dem Menschen predigte, nur durch Leiden oder in Einsamkeit erreicht werden.
„Es war notwendig, dass das Leiden als Form der Selbstverwirklichung hingestellt wurde. Selbst jetzt ist an manchen Punkten der Welt die Botschaft Christi notwendig.“
„Die Freude ist es, die den Individualismus der Zukunft zur Entwicklung bringen wird.“
Denn wonach der Mensch gesucht hat, das ist wahrhaftig nicht Leiden und nicht Lust, sondern einfach Leben.
„Lust ist das Siegel der Natur, ihr Zeichen der Zustimmung.“
„Wenn der Mensch glücklich ist, dann ist er in Harmonie mit sich selbst und seiner Umgebung.“ (!!!:)
Diese gewaltigen Phrasen sind die Filetstücke des Buches:
„Der Sozialismus und die Seele des Menschen“
Man kann das Buch für unter 5 Euro finden.
Bleibt einem die Spucke weg!
Also mir erging es so ;P